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Ein unvergleichliches Ökosystem

 
Immer wieder hört man seitens der Landesregierung Jubelchöre auf "unsere" vielen Ehrenamtlichen. Gerade eben flatterten auch wieder einmal die "Lebenswelten" (Nachrichtenblatt der Abteilung Familie und Lebensbegleitung der Diözese Innsbruck) ins Haus mit dem tollen Titel Ehrenamt - "Es gibt alle Hände voll zu tun". Da werd' ich gleich wieder grantig.
Die klangvolle Bezeichnung als Tägikeit, deren Lohn die "Ehre" sein soll (welche in unserer Gesellschaft aber sowieso nicht existiert!), ist nichts anderes als das Verschleiern von unbezahlten Jobs. Diese existieren hauptsächlich im Bereich von Dienstleistungen, insbesondere in den sozialen Tätigkeitsfeldern von Pflege und Betreuung. Wo in der Pflege "unserer lieben Alten", weniger gepflegt, sondern mehr betreut werden soll, wird Geld gespart, indem man "Ehrenamtliche" einsetzt. Damit wird diese Tätigkeit über lang oder kurz entwertet. Wer ist schon so blöd und zahlt jemanden, der mit seiner Oma eine Runde spazieren geht, wenn das auch Ehrenamtliche machen können.
Und das ausgebildete Fachpersonal (AltenfachbetreuerInnen) sitzt arbeitslos zuhause oder ist gezwungen schlecht bezahlte Jobs als Pflegehelfer in Heimen anzunehmen, wo es dann zu 35% als Reinigungskraft eingesetzt wird, denn sich zu den Alten zu setzen, mit ihnen Karten zu spielen oder ähnliches ist ja "keine Arbeit" ("Das sollen Ehrenamtliche übernehmen, da zahl ich doch keine Kraft!"), da tut man besser was "Vernünftiges" und reinigt den Küchenschrank im Aufenthaltsraum des Personals alle paar Tage. Hauptsache es sieht nicht so aus, als würde man nur "Rumhängen" und "Schwatzen". Die Aufrechterhaltung sozialer Kontakte im Alter ist ja sowieso wertlos. Wer sich dafür einsetzt, ist sozusagen selber schuld, Geld schmeißt man ihm da nicht hinterher und "Ehre", was auch immer das dann wäre, schon gar nicht.

Das "Ehrenamt" ist nichts anderes als das Entwerten wichtiger Tätigkeiten. Zu den häufigsten Ehrenämtern gehört wohl die Erziehungstätigkeit von Eltern. Und selbst hier wurde mittlerweile ein allgemeines Kinderbetreuungsgeld für die ersten zwei Jahre eingeführt, da Geld eben mehr zählt als die Ehre (mehr als eine Anerkennung kann das derzeitige Kinderbetreuungsgeld nicht darstellen, denn zur Versorgung einer Person und ihres Kindes ist es als einzige Einkommensquelle ungeeignet).

Mir stellt es schon die Haare auf, wenn ich nur "Ehrenamt" höre. Und Stolz ist das letzte was mir bei der Bezeichnung für diese "billigen Arbeitskräfte" einfällt. Wer auf "Ausländer" schimpft, die "uns Jobs wegnehmen", sollte auch auf "Ehrenamtliche" schimpfen.

Aber ich darf mich eigentlich ja gar nicht beschweren, ich habe mir ja selbst mehrere "ehrenamtliche Tätigkeiten" auferlegt:
- Betreuung und Erziehung unserer zwei Kinder an 7 Tagen pro Woche
- Versorgung eines 4-Personen-Haushaltes
- Betreuung eines Informationsportales über den hellenistischen Glauben in Österreich
- Betreuung einer Informationsseite über die Rolle unseres Glaubens im Leben als Familie und in der Erziehung unserer beiden Kinder
- Monatliche Herausgabe eines Informationsblattes über unseren Glauben
- Mitbeteiligung an der Organisation eines monatlichen Stammtisches in Tirol
Und weil ich keine Entlohnung für diese Arbeiten erhalte, entwerte ich sie und enthalte sie dem Arbeitsmarkt als bezahlte Stellungen vor. Man stelle sich vor, ich würde statt dessen ein Kindermädchen, eine Haushälterin, Köching, Redakteure und Autoren, Übersetzer und einen persönlichen Sekretär beschäftigen...
catebanshee meinte am 2. Nov, 13:26:
... dann wärst du
a) sehr schnell pleite
b) reicher, als ich dachte ;)

Das ist ja sehr ähnlich wie die Geschichte mit den Mexikanern in Amerika: Jeder schimpft auf sie, aber würden sie aufhören zu arbeiten, dann wäre die Wirtschaft in einer Krise... 
Sassa antwortete am 4. Nov, 09:38:
Tropfen auf den heißen Stein
Das Problem ist, dass bei uns nie etwas grundlegend geändert wird oder angeblich werden kann. Man müßte die Gelderverteilung grundsätzlich überdenken und Teile des Systems komplett überarbeiten wie z.B. das Bildungssystem, Betreuungsmöglichkeiten, Grundsicherung usw.
Wenn es kein Geld gäbe, jeder hätte, was er zum Leben bräuchte, dann wäre freiwillige Arbeit selbstverständlich. So ist das Ehrenamt ein Relikt aus Zeiten, in denen bestimmte Teile der Bevölkerung (z.B. Frauen) kaum Zugang zum Arbeitsmarkt hatten und ihre Arbeit sowieso nie mit Geld entlohnt wurde.
Eigentlich ist es eine Form der Ausbeutung, bei der man nicht mal einen gerechten Lohn erhält. Denn von der "Freude am Geben" kann ja wohl nur ein Licht-und-Nächstenliebe-Christ mit rosaroter Brille leben. Dankbarkeit gibt es nämlich in unserer Gesellschaft genausowenig wie es ein Verständnis für Ehre gibt. Letztendlich muss sich der Träger eines Ehrenamtes diese Ehre also selbst geben, Dankbarkeit o.ä. kann er nicht erwarten, außer er gibt sich vielleicht nach einigen Jahrzehnten mit einer Medaille für sein "Lebenswerk" zufrieden, die ihm vielleicht der stolzgrinsende Bürgermeister überreicht, der sein Amt vemrutlich nicht der bloßen Ehre wegen bekleiden muss.